Laos steht vom Bekanntheitsgrad her deutlich
im Schatten seiner Nachbarn Thailand oder Vietnam, für mich zu Unrecht.
An den Busfenstern ziehen reizvolle Landschaften und kleine lebendige
Dörfer vorbei. Auffällig sind die vielen Kinder, ein Problem, mit dem
auch andere asiatische Staaten zu kämpfen haben. Die Bevölkerungszahl
geht rasant nach oben, wirtschaftliche Entwicklung und Versorgung können
nicht mithalten. Muss Europa wieder arm werden, um die ständig sinkenden
Geburtenzahlen in den Griff zu bekommen? Das ist eine der Fragen, mit
denen sich die Kulturgruppe während der endlosen Busfahrten beschäftigt.
Die große Zahl von Erfahrungen, Begegnungen und Eindrücken, die zeitlich
komprimiert auf uns einstürzt, zwingt jeden von uns zum Nachdenken. Über
Werte, Urteile und Weltsichten, manches bleibt dabei auf der Strecke.
Ich bin gespannt, ob sich diese Grübeleien und Gespräche auch spürbar
auswirken werden, wenn wir in das „normale" Leben zurückgekehrt sind.
Am Nachmittag erreichen wir Luang Prabang, die alte Hauptstadt des laotischen
Königreiches. Zahlreiche Tempelanlagen erinnern daran, vor allem wird
die kleine Stadt aber vom Mekong geprägt. Dessen gelbliche schlammige
Fluten wälzen sich dahin, wir sitzen am Ufer und hängen unseren Gedanken
nach. Auf Wunsch einzelner Gruppenmitglieder wollen wir morgen zu einer
Tagestour auf dem Fluss aufbrechen. Bilder aus Filmen wie „Apocalypse
Now" haben bei dem Entschluss mit Sicherheit Pate gestanden.
Das Boot besorgt der Manager unseres Guesthouses, die mittlerweile nahezu
legendäre Coke-Kühlkiste ist bereits seit Bangkok mit den für das Vorhaben
unerlässlichen Getränken befüllt. Ein Abend in Luang Prabang ist ruhig
aber dafür kurz, bereits gegen Mitternacht liegt die Kulturgruppe im kollektiven
Tiefschlaf.
Der kommende Morgen begrüßt uns mit heftigem Tropenregen, nach dem Frühstück
um die Ecke sind wir pitschenass. Unverzagt wird das überdachte schmale
Boot bestiegen, wir passen auch zu zehnt unter das schützende Dach. Uns
hat sich Lance aus Australien angeschlossen, der seinen mitreisenden Freund
in Vietnam zurücklassen musste. Dieser hat sich verliebt und nach nur
drei Wochen Unterwegssein beschlossen, seinem Herz zu folgen. Lance ist
49, Eigner einer Elektrikerfirma und von seiner Frau auf Reisen geschickt
worden. Er müsse unbedingt mal raus, so wie er geworden sei, gefalle er
ihr nicht, sagte sie zur Begründung. Weihnachten will er wieder zurück
in Brisbane sein.
Es ist wirklich wie im Film. Links und recht Dschungel, wir in einem wackligen
Kahn umgeben von tosenden gelben Fluten. Über den Bergen steht der Nebel,
ab und zu zeigt sich ein Schilfdorf. Der Whisky fließt in Strömen und
aus dem eigens erworbenen Ghettoblaster plärrt gemäß der Vorlage Wagners
Walkürenritt. Das musikalische Programm wird abgerundet von Oldies aus
den 60-Igern und 70-Igern, unsere Art uns des Vietnamkrieges zu erinnern.
Der in Strömen fließende Whisky erzielt bei einigen Kameraden recht zügig
Wirkung. Bei der Landung in Nong Khiaw sind aber alle wieder einigermaßen
bei sich und stehen in einem kleinen Dorf, neugierig beäugt von den Einheimischen.
Ich wollte an dieser Stelle versuchen, die spezielle Atmosphäre dieses
Augenblicks zu beschreiben. Man stelle sich Freundlichkeit und Distanz,
Interesse und Stolz, Kinderlachen und Wehmut als Farben in einem impressionistischen
Gemälde vor und male es. Ich konnte es nicht. Will es jemand versuchen?
zurück zum Tagesbericht vom 21.07.2004
Übersicht aller Artikel im Reisetagebuch
|