Glück und Apokalypse vom 20./ 21.07.2004

Laos steht vom Bekanntheitsgrad her deutlich im Schatten seiner Nachbarn Thailand oder Vietnam, für mich zu Unrecht. An den Busfenstern ziehen reizvolle Landschaften und kleine lebendige Dörfer vorbei. Auffällig sind die vielen Kinder, ein Problem, mit dem auch andere asiatische Staaten zu kämpfen haben. Die Bevölkerungszahl geht rasant nach oben, wirtschaftliche Entwicklung und Versorgung können nicht mithalten. Muss Europa wieder arm werden, um die ständig sinkenden Geburtenzahlen in den Griff zu bekommen? Das ist eine der Fragen, mit denen sich die Kulturgruppe während der endlosen Busfahrten beschäftigt.

Die große Zahl von Erfahrungen, Begegnungen und Eindrücken, die zeitlich komprimiert auf uns einstürzt, zwingt jeden von uns zum Nachdenken. Über Werte, Urteile und Weltsichten, manches bleibt dabei auf der Strecke. Ich bin gespannt, ob sich diese Grübeleien und Gespräche auch spürbar auswirken werden, wenn wir in das „normale" Leben zurückgekehrt sind.

Am Nachmittag erreichen wir Luang Prabang, die alte Hauptstadt des laotischen Königreiches. Zahlreiche Tempelanlagen erinnern daran, vor allem wird die kleine Stadt aber vom Mekong geprägt. Dessen gelbliche schlammige Fluten wälzen sich dahin, wir sitzen am Ufer und hängen unseren Gedanken nach. Auf Wunsch einzelner Gruppenmitglieder wollen wir morgen zu einer Tagestour auf dem Fluss aufbrechen. Bilder aus Filmen wie „Apocalypse Now" haben bei dem Entschluss mit Sicherheit Pate gestanden.

Das Boot besorgt der Manager unseres Guesthouses, die mittlerweile nahezu legendäre Coke-Kühlkiste ist bereits seit Bangkok mit den für das Vorhaben unerlässlichen Getränken befüllt. Ein Abend in Luang Prabang ist ruhig aber dafür kurz, bereits gegen Mitternacht liegt die Kulturgruppe im kollektiven Tiefschlaf.

Der kommende Morgen begrüßt uns mit heftigem Tropenregen, nach dem Frühstück um die Ecke sind wir pitschenass. Unverzagt wird das überdachte schmale Boot bestiegen, wir passen auch zu zehnt unter das schützende Dach. Uns hat sich Lance aus Australien angeschlossen, der seinen mitreisenden Freund in Vietnam zurücklassen musste. Dieser hat sich verliebt und nach nur drei Wochen Unterwegssein beschlossen, seinem Herz zu folgen. Lance ist 49, Eigner einer Elektrikerfirma und von seiner Frau auf Reisen geschickt worden. Er müsse unbedingt mal raus, so wie er geworden sei, gefalle er ihr nicht, sagte sie zur Begründung. Weihnachten will er wieder zurück in Brisbane sein.

Es ist wirklich wie im Film. Links und recht Dschungel, wir in einem wackligen Kahn umgeben von tosenden gelben Fluten. Über den Bergen steht der Nebel, ab und zu zeigt sich ein Schilfdorf. Der Whisky fließt in Strömen und aus dem eigens erworbenen Ghettoblaster plärrt gemäß der Vorlage Wagners Walkürenritt. Das musikalische Programm wird abgerundet von Oldies aus den 60-Igern und 70-Igern, unsere Art uns des Vietnamkrieges zu erinnern.

Der in Strömen fließende Whisky erzielt bei einigen Kameraden recht zügig Wirkung. Bei der Landung in Nong Khiaw sind aber alle wieder einigermaßen bei sich und stehen in einem kleinen Dorf, neugierig beäugt von den Einheimischen. Ich wollte an dieser Stelle versuchen, die spezielle Atmosphäre dieses Augenblicks zu beschreiben. Man stelle sich Freundlichkeit und Distanz, Interesse und Stolz, Kinderlachen und Wehmut als Farben in einem impressionistischen Gemälde vor und male es. Ich konnte es nicht. Will es jemand versuchen?

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