Um 12 Uhr sitzt die Kulturgruppe, noch
ein wenig gezeichnet vom Erlebnis Bourbon- Street, geschlossen beim Frühstück.
Für US-Verhältnisse recht guter Kaffee und Bratkartoffeln bringen die
Körper wieder auf Trab. Wir haben uns entschieden, heute vom geraden Weg
gen Philadelphia abzuweichen und Jena/Louisiana einen Besuch abzustatten.
Dazu geht es von New Orleans aus auf dem Highway 10 ein Stück zurück und
dann scharf in Richtung Norden. Jetzt sind wir wirklich in der Gegend
von Baumwolle und Zuckerrohr angekommen, weiß gestrichene Häuser mit großen
Veranden und Schaukelstühlen darauf stehen malerisch zwischen endlosen
Feldern. Auffallend ist, dass die riesigen Rasenflächen entlang des Highways
dem englischen Standard sehr nahe kommen. Alles ist frisch gemäht und
bewässert, wer das wie bewerkstelligt, hat sich mir nicht offenbart.
Jena liegt etwas abseits und verfügt über ein verrostetes Begrüßungsschild.
Außerdem gibt es eine Bank of Jena und diverse andere Läden mit der Heimatstadt
meiner thüringischen Freunde im Namen. Spektakuläres gibt es nicht zu
sehen, das Rathaus ist aber ganz schön groß. Zwar brennt das Licht, am
Samstag ist aber erwartungsgemäß niemand da.
Die Suche nach dem Bürgermeister führt Horst zur örtlichen Tankstelle,
in der sich ein Herumsitzender als guter Freund des Würdenträgers outet.
Er telefoniert kurz und fünf Minuten später entsteigt einem vorfahrenden
Fahrzeug ein Südstaatler wie aus dem Bilderbuch. Mit zwei Zahnstochern
im Mund und einem gewöhnungsbedürftigen Dialekt ist der oberste Wahlbeamte
Jenas so gut wie nicht zu verstehen, unseren Fragen gegenüber aber sehr
aufgeschlossen.
Von Beruf Dachdecker lenkt James Robbins die Geschicke der 3000-Seelen-
Gemeinde seit 18 Monaten. Alle vier Jahre ist Neuwahl. Haupteinnahmequelle
des Ortes ist die Papierindustrie, einen finanziell attraktiven Knast
habe der Staat aufgrund schwerer Sicherheitsmängel geschlossen, so der
37-Jährige. Die ständigen Gefängnisausbrüche seien aber auch wirklich
unangenehm gewesen.
Nach einer Stunde und einem gemeinsamen Foto ist dann Schluss mit der
Fragerunde, Robbins will offensichtlich den Samstag Abend auf seiner Couch
verbringen. Für die Abendgestaltung hat Jena/Louisiana gar nichts zu bieten,
wir fahren in das 24 Meilen entfernte Jonesville. Hier ist heute Rodeo,
für fünf Dollar pro Mann sind wir passiv dabei. Während der Rest der Kulturgruppe
die Arena, vom Hunger getrieben, vor Ende der Veranstaltung verlässt,
wird Flemme noch Zeuge von zwei schweren Unfällen beim Bullenreiten. Alle
noch Anwesenden stehen von den Holzbänken auf und nehmen den Cowboyhut
ab, als die erheblich Verletzten zum Krankenwagen getragen werden.
In einem kleinen Motel läuft zur Freude von Sportfreak Horst Olympia im
altersschwachen Fernseher. Das Abschneiden der deutschen Mannschaft ist
wirklich deprimierend. Nach Mitternacht teilen wir uns brüderlich die
Kingsize-Betten.
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zum Tagesbericht vom 21.08.2004
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