Villen und Herrscher vom 06.07.2004

Eines sonnigen Morgens in Lahore standen zwei Einheimische mit einem „Uwe Schenderlein"-Schild auf dem Bahnsteig und warteten auf acht Deutsche. Die kamen pünktlich an und hatten nicht nur wegen des persönlichen Empfangs einen guten ersten Eindruck von der berühmten Hauptstadt des alten Mogulreiches. Das
Empfangskomitee arbeitet für Arif, der zusammen mit seinem Bruder u.a. Produkte von Horsts Arbeitgeber vertreibt. Das offensichtlich äußerst erfolgreich, denn nach halbstündiger Fahrt vom quirligen Bahnhofsvorplatz in die „besseren" Wohngebiete halten wir vor dem Tor eines beeindruckenden Hauses.

Postiert auf klassischen Rosenholzmöbeln empfangen wir aus der Hand von Arif und seiner Frau die Willkommensdrinks, dabei entschuldigt sich unser Gastgeber zigfach für die nicht funktionierende Klimaanlage. Gegen einen wiederholt ausgefallenen Transformator in der Nachbarschaft sei einfach nichts zu machen gewesen. Wir lernen den gerade erwachten Sohn des Hauses kennen, Daniel ist 19 und Fan von Deutschen Schäferhunden, und brechen anschließend vom Empfangskomitee begleitet zu einer Stadtrundfahrt auf.

Lahore wurde architektonisch vor allem von den Mogulherrschern geprägt, die das Fort zu einem riesigen Kunstschatz ausbauten sowie die größte Moschee überhaupt errichteten. In größter Mittagshitze schleppen wir uns wieder einmal vorbei an steingewordener Geschichte und werden von unserem Führer mit permanent
repetierten Jahreszahlen malträtiert. Stile, Dynastien und Baumaterialien werden in meinem deutlich überhitzten Kopf zu einem großen Brei verrührt. Daher präsentiere ich an dieser Stelle keine Beweise meines während dieser Hitzeschlacht angehäuften neuen Wissens mehr, eingehender Interessierte mögen bitte an geeigneterer Stelle nachlesen.

Bei unserer Rückkehr erwarten uns eine wieder funktionierende Klimaanlage und ein fantastisches Mittagessen, gefolgt von einer ausgiebigen Schlafenszeit. Nach meinem Erwachen aus komatösem Zustand entdecke ich auf dem Flur doch tatsächlich ein Schlagzeug, was Daniel seine erste kurze Unterrichtsstunde an seinem neuerworbenen Instrument sowie Höfel eine Ahnung von den Schwierigkeiten des Charlie-Watts-Stils einbringt. Nicht untalentiert der Kollege, seltsamerweise werden die noch schlafenden Kulturgruppenmitglieder von dem infernalischen Krach nicht aus ihren Träumen gerissen.

Der Abend bringt ein kühles Bier auf englischem Rasen, eine Einladung zum Barbecue in ein Restaurant, in dem der Koch mit seinen Messern Schlagszeugsoli spielt, sowie mehrfache erneute Ausfälle der Stromversorgung. Schwitzend liege ich bereits um 23 Uhr im Bett, als Folge des ständigen Wechsels zwischen Räumen mit Luftkondition und den furchterregenden Außentemperaturen greift die Grippe um sich. Wie haben das bloß die Briten in ihren dicken, steifen Klamotten ausgehalten?

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