Gandhi und Nagaland vom 09.07.2004

Morgens um 7 Uhr am Busbahnhof von Delhi, das heißt: extreme Geruchsmischung, Motor-Rikshaws mit sich aufdrängenden Fahrern überall, schlafende Menschen an jedem möglichen und unmöglichen Ort sowie acht übermüdete Deutsche. Dank unserer schwedischen Freunde sind wir im Besitz eines Zieles, vier Rikshaw-Lenker
kennen nach längeren Diskussionen das Hotel und den Fahrpreis. In einer ruhigen Nebenstraße von New Delhi angelangt, gibt's ein frugales Frühstück auf dem Dach und hupfredlose Ruhestunden im Zimmer.

Ab 13 Uhr rotten wir uns mit den Schweden zur Stadtrundfahrt zusammen. Nach Moschee, India Gate und dem Haus des Premierministers besuchen wir den Gandhi- Gedenkhain. Ein selbsternannter Fernsehmensch mit Amateurkamera drapiert die nicht sonderlich zahlreichen Touristen vor dem dunklen Quader, der Gandhis Grab
bedeckt. Mir kommt das wie eine Entweihung vor, hier an dieser Stelle eingedenk des bisher Gesehenen verneige ich mich innerlich vor der großen Leistung des kleinen Mannes. Einige Inder haben mir von ihrer Überzeugung berichtet, dass Gandhis Ziel, ein geeintes Indien, in dem alle Religionen und Völker friedlich
zusammen leben, früher oder später Wahrheit werde. Angesichts des an vielen Enden brennenden Pulverfasses in dieser Region wird es sicherlich deutlich später werden.

Abends sitzen wir noch ein wenig länger mit unseren schwedischen Freunden zusammen, die am kommenden Morgen um 5.30 Uhr Richtung nepalesische Grenze aufbrechen wollen. Das tun sie auch, wir schieben einen Behördentag ein. Kurz vor der burmesischen Grenze gibt es zwei autonome Zonen, die wir auf dem Weg zum
einzig möglichen Grenzübergang durchqueren müssen. Für beide benötigen wir Zugangsgenehmigungen, deren Erteilung laut Reiseführer etwa 10 Tage dauert. Wir haben heute Zeit.

Der für Manipur zuständige Kollege erweist sich als zugänglich und hilfsbereit, selbst für unseren noch abwesenden Freund Schnirps würde er auf der Basis von per Fax zugestellten Passbildern und Dokumentenkopien eine Berechtigung ausstellen wollen. Guter Dinge machen wir uns auf in die Vertretung von Nagaland, autonome Zone Nummer zwei. Nach diversem Behördenkram würden wir hier unser Permit
bekommen, so das von Manipur vorläge. Horst springt in die nächste Rikshaw Richtung Manipur-Vertretung, wir anderen gehen der Frage nach, wie wir überhaupt dahin kommen wollen.

Bis zur burmesischen Grenze sind es von Delhi aus etwa 2.700 Kilometer, für die wir, wie für alle Streckenabschnitte, eigentlich überhaupt keine Zeit haben. Mit dem PKW dauert die Reise nach unterschiedlichen Angaben mindestens fünf Tage und ist schweineteuer, Bahntickets bis zum kurz vor Nagaland liegenden Guwahati müssen angeblich mindestens 10 Tage im voraus gebucht werden. Nicht aber von uns, die Rettung erscheint in Person des Presseverantwortlichen von Nagaland. Er verteilt Werbematerial für sein schönes, früher von Kopfjägern bewohntes kleines Land. Auf Nachfrage erklärt er sich bereit, mit Zwerg und mir zum nächstgelegenen Buchungsbüro der Bahn zu fahren und uns beim Erwerb von Fahrkarten zu unterstützen.

Und es klappt, das eigentlich Unmögliche wird zum wiederholten Male während unserer Reise möglich. Ein wenig Bakschisch und viel Überredungskunst unseres neuen Freundes verschaffen uns neun Bahntickets im Liegewagen mit Air Condition (!) am kommenden Abend um 21 Uhr. Wir kommen uns wie Eroberer vor, als wir
wieder zu den Freunden stoßen. Die haben in der Zwischenzeit den Zugang nach Nagaland klargemacht und die Zusicherung erhalten, dass wir uns in Guwahati auch das Permit für Manipur abholen können.

Nach diesem Tag haben wir uns eine Rakete in Delhis „Blues Bar" redlich verdient. Um 2 Uhr sitzen wir angeschickert auf dem Flughafen von Delhi, um unseren Freund Schnirps abzuholen.

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