In Imphal ist kein Zivilist zu sehen.
Alle Läden sind geschlossen, schwer bewaffnete Soldaten patrouillieren
durch die Geisterstadt. An einer Straßensperre müssen wir aussteigen,
unser Zugfreund diskutiert heftigst mit den Uniformierten und geleitet
uns anschließend zu einem ehemals sicherlich guten Hotel. Höfel bekommt
den für die Erteilung des Permits zuständigen Beamten ans Telefon. Wir
erfahren, das über die ganze Stadt eine Ausgangssperre verhängt wurde.
Sämtliche Geschäfte und öffentliche Gebäude mussten in den vergangenen
Tagen geschlossen bleiben. Unsere Unterlagen seien angekommen, jedoch
wegen Unvollständigkeit noch nicht bearbeitet. Ob er morgen ins Büro dürfe,
wisse er nicht.
Uns drückt die Zeit. Es sind nur noch 100 Kilometer bis zur burmesischen
Grenze, da wollen wir so schnell wie möglich hin. Der Staatsbedienstete
kann offensichtlich nicht kurzfristig helfen, also müssen wir bei anderen
Stellen „Druck" machen. Denken sich neun Deutsche in einem verranzten
Hotel in einer toten Stadt.
Flemme, Zwerg, Ulla und ich machen sich freiwillig auf den Weg zum Hauptsitz
der örtlichen Armeeeinheiten. Bei der Annäherung ans Tor passieren wir
MG-Stellungen, die Soldaten sind aber freundlich und verweisen uns an
die Polizei. Also weiter durch die beängstigende Leere, wir werden an
den für Ausländer zuständigen Polizeichef verwiesen. Brille mit Goldrand,
unbewegtes Gesicht und sorgfältig gebügelte Uniform – hinter dem großen,
teuren Schreibtisch sitzt ein Beamter wie aus dem Bilderbuch. In perfektem
Englisch erklärt er uns für illegal, ohne gültiges Permit gebe es für
uns keine Weiterfahrt. Wir hätten nur die Chance, so schnell wie möglich
sein Land wieder zu verlassen. Andernfalls müssten wir damit rechnen,
verhaftet zu werden.
Zurück können wir aber nicht. Guwahati ist laut Zeitungsberichten zu 80
Prozent überschwemmt, die Straße dorthin nach weiteren Erdrutschen mittlerweile
unpassierbar. Lange Diskussionen mit Mister Superbeamter folgen, er sagt
uns überraschend zu, bei dem Erwerb von Flugtickets behilflich zu sein.
Einzig mögliches Ziel für uns ist Kolkata (Kalkutta), so können wir wenigstens
den „Rest" unserer Tour retten. Im Polizeijeep werden vier Illegale ins
Hotel eskortiert, lange Diskussionen innerhalb der Kulturgruppe schließen
sich an.
Eine Fraktion will den „Druck" erhöhen, um doch noch nach Myanmar zu kommen.
Das Ziel unserer Reise habe Vorrang, das müsse zu schaffen sein. Die andere
sieht im Flug die einzig mögliche Alternative. Traurig sind wir alle.
Wir wussten zwar im Vorfeld, dass die Durchreise durch Manipur ein Problem
werden könnte, mit dieser Situation hat aber niemand von uns gerechnet.
Am kommenden Morgen erreicht Höfel einen Mitarbeiter der Permit-Stelle.
Ab 10 Uhr sei das Büro wieder besetzt, vielleicht lasse sich noch was
machen. Um 09.30 Uhr erscheint der für unsere „Betreuung" abgestellte
Polizist, um uns zum Ticketkauf zu begleiten. Er erklärt sich bereit,
vorher im Permit-Büro vorbeizufahren. Dort angekommen, läuft er in das
Gebäude und teilt uns nach seiner Rückkehr mit, da wäre niemand. Höfel
und Flemme wollen selber sehen und stehen vor einem Schreibtisch, auf
dem ein offener Aktenkoffer sowie Papier liegen. Der Kollege selbst ist
nicht auffindbar, im Nebenbüro sitzt ein Herr, neben dem ein Bewaffneter
steht. Niemand redet, niemand weiß etwas. Unsere „Niederlage" ist damit
besiegelt.
Im extra für uns geöffneten Reisebüro erwerben wir neun Flugtickets nach
Kalkutta und werden ausgeflogen. Auf dem Weg zum Flughafen passieren wir
einen Kontrollpunkt, neben dem zwei leicht bekleidete Jugendliche im Liegestütz
liegen. Die „größte Demokratie der Welt" zeigt von der westlichen Welt
unkommentiert ihre Krallen. Was für eine Schande.
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