Burmalos und Proppevoll vom 16./ 17.07.2004

Unser taktischer Rückzug verläuft äußerlich erfolgreich, innerhalb der Kulturgruppe brodelt es jedoch erheblich. Trotz der langen gestrigen Diskussion klaffen die Ansichten darüber, ob man nicht doch nach Burma hätte „durchbrechen" können, immer noch weit auseinander.

Nach der Landung in Kolkata/Kalkutta haben wir jedoch für derartige Dispute vorerst keine Zeit. Zwar sind wir Imphal und Guwahati entronnen, wissen aber noch nicht, wie es jetzt überhaupt weitergehen soll. Der Flughafen von Kalkutta ist deutlich kleiner als erwartet, hat aber als eines der wenigen internationale Ziele Flüge nach Bangkok im Programm. Gegen 17 Uhr haben wir neun davon für den kommenden Vormittag in der Tasche und können nun ans Wunden lecken gehen.

Mit dem Taxi rein in den Moloch, der ein noch größeres Verkehrsproblem als Delhi hat. Die einstige Pracht der Kolonialzeit ist noch deutlich zu sehen, inzwischen hat sich auf den Fassaden die einheimische Flora und Fauna breit gemacht. Wir sind auf der Suche nach einem Platz zum Frust runter spülen und landen in einer Trinkhöhle, die laut Reiseführer mit Live-Musik punkten kann. Diese wird von wechselnden Musikern und zahlreichen Sängerinnen auf einer umzäunten Bühne dargeboten. Davor sitzen ausschließlich Männer, die Starkbier in sich hineingießen und ab und zu einer Sängerin für eine ganz besonders gelungene vokalistische Leistung einen Schein in die Hand drücken. Fotografieren ist verboten, Tanzen und Mitsingen auch. Das machen die überall herumstehenden Mitarbeiter der Lokalität unmissverständlich klar. Sehr seltsam, das alles.

Auf der Suche nach einer weiteren empfohlenen „Musik-Bar" gelangen wir ungewollt (wirklich!) in Kalkuttas Traveller-Meile, eine Einrichtung, die es ja inzwischen in so gut wie allen größeren Städten Asiens zu finden gilt. Übernachtungsanbieter reiht sich an Übernachtungsanbieter, davor sitzen szenig gestylte junge Touristen in Restaurants mit Lokalkolorit. Wir werden von Michael, einem offensichtlich unter Drogeneinfluss stehenden Restaurant-Schlepper, weggefangen und in den Biergarten eines Guesthouses verschleppt. In dieser grünen Oase inmitten der Armut und des Drecks sezieren wir dann die Burma-Problematik noch einmal gründlich.

Aus meiner Sicht haben wir es mit Realos und Fundis innerhalb unserer Gruppe zu tun, die sich innerhalb kürzester Zeit lautstark austauschen. Die Mehrheit ist der Meinung, dass die Situation in Imphal für uns undurchsichtig und in ihrer weiteren Entwicklung nicht abschätzbar war. Es sei leider ergebnislos alles getan worden, um nach Burma kommen zu können, der Flug nach Kalkutta daher die beste Lösung gewesen.

Die Fundis bestehen darauf, dass das einzige wirkliche Ziel unserer Reise und damit auch der Grund für unsere Aktivitäten die Weltumrundung ohne Flugzeugnutzung gewesen sei. Mit unserem „Scheitern" in Imphal wäre daher alles sinnlos geworden und der „Rest" der Tour sei nur noch Pillepalle. Die Realos halten dagegen, dass grundsätzlich die Sicherheit unserer Gruppe vorgehe und die weitere Strecke mitnichten frei von Wagnissen und Risiken sei. Einigkeit wird nicht erzielt, aber Waffenstillstand vereinbart.

Nach diesem und jenen Drink verbringen wir die Nacht auf dem Flughafen und stehen mittags in Bangkok, genau 24 Stunden nach unserem Rückzug. Das ist geistig und emotional kaum zu fassen, eine Tour der Extreme.

Den Nachmittag nutzen wir zur seelischen und hygienischen Regeneration, am Abend wird das Restaurant unserer Unterkunft unter Zuhilfenahme einiger von Schnirps und Blues zusammengestellter CD's zur ostdeutschen Partyzone umfunktioniert. Den Leuten hat's gefallen.

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