Essen ist wichtig. Vor allem auf einem
Schiff, haben mich die Abenteuerromane meiner frühesten Jugend gelehrt.
Auf der Pugwash Senator ist die Fütterung täglich 07.30, 11.30
und 17.30 Uhr gerichtet, wer deutlich zu spät kommt, den bestraft
der Steward. Drei Mal am Tag warm mit ergänzenden Gaumenfreuden,
die Kulturgruppe hat berechtigte Angst, bei der Ankunft in Long Beach
von der Gangway rollen zu müssen. Das Aufgetischte ist zur allgemeinen
aber besonderen Freude von Schnirps lecker, deftig und reislos, Steak
wechselt sich mit Roulade und, natürlich, Fisch ab. Welch Wonne nach
all den exotischen Speisen der vergangenen Wochen, wir sind kulinarisch
mehr konfektioniert als im Vorfeld erwartet.
Die Crew besteht zur Hälfte aus Deutschen und in der Südsee
Ansässigen, Kapitän und Chief (für Uneingeweihte, das ist
der Herr über die Maschine) durchkreuzen seit mehr als 40 Jahren
die Meere. Wir werden warmherzig und aufgeschlossen empfangen, das Durchschnittsalter
der sonstigen Passagiere liegt deutlich über unserem. Acht hungrige
und teilweise entkräftete Teilzeit-Seebären sind auch hier etwas
Besonderes.
Eine ausgiebige Führung durch unser zeitweiliges Heim macht uns das
Ausmaß dieses Kolosses noch einmal bewusst. Der Gang in den mehrstöckigen
Maschinenraum kann nur mit Gehörschutz angetreten werden, knapp 56.000
PS bringen auch den Lärmpegel auf beeindruckende Werte. Der Chief
präsentiert uns ein dem Schiff Leben einhauchendes Aggregat von einer
Wucht, die vor allem Fronzel angesichts von mannshohen Kolben erheblich
beeindruckt. Seemannsromantik a la Hans Albers hat hier keinen Platz.
Das Bewegen armdicker Schrauben bei permanenten Temperaturen um die 50
Grad Celsius lässt die See umher schnell zum anstrengenden Arbeitsplatz
werden.
In den kommenden 14 Tagen werden wir rund 13.000 Kilometer quer über
den Pazifischen Ozean hinter uns bringen. Ein bei Japan genau auf unserer
Strecke liegender Orkan wendet sich glücklicherweise rechtzeitig
nordwärts, die weiteren Wetterprognosen lassen auf magenfreundlichen
Seegang hoffen. Der heilige Christopherus scheint weiterhin seine schützende
Hand über die Kulturgruppe zu halten.
Seesprache, schwere Sprache könnte jemand sagen. Unsere Zimmer sind
hier Kammern, die Tür wird zur Schot und zur Verabschiedung wird
einem ein fröhliches „Angenehme Weiterreise noch“ entgegengeschleudert.
Auf der Brücke braucht der Wachoffizier kein großes Rad mehr
zu drehen, wir haben Autopilot. Und der Sextant darf zwar noch in der
Schublade mitfahren, hat den Kampf gegen Satellitenortung und Computerunterstützung
aber schon lange verloren.
Auf dem Arbeitsmarkt für Seeleute fehlt übrigens in erheblichem
Umfang Nachwuchs. Zwar greifen deutsche Reeder aus Kostengründen
für die Mannschaftsdienstgrade überwiegend auf Männer aus
Tuvalu, den Philippinen oder anderen Billiglohnländern zurück,
deutsche Ingenieure und Offiziere sind aber gesucht. Viele erfahrene Seebären
sind um die 60 Jahre alt und gehen bald für immer von Bord. Wer Interesse
hat, bitte nicht an mich wenden. Ich lerne noch.
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zum Tagesbericht vom 31.07.2004
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