Schot und Kammer vom 31.07.2004

Essen ist wichtig. Vor allem auf einem Schiff, haben mich die Abenteuerromane meiner frühesten Jugend gelehrt. Auf der Pugwash Senator ist die Fütterung täglich 07.30, 11.30 und 17.30 Uhr gerichtet, wer deutlich zu spät kommt, den bestraft der Steward. Drei Mal am Tag warm mit ergänzenden Gaumenfreuden, die Kulturgruppe hat berechtigte Angst, bei der Ankunft in Long Beach von der Gangway rollen zu müssen. Das Aufgetischte ist zur allgemeinen aber besonderen Freude von Schnirps lecker, deftig und reislos, Steak wechselt sich mit Roulade und, natürlich, Fisch ab. Welch Wonne nach all den exotischen Speisen der vergangenen Wochen, wir sind kulinarisch mehr konfektioniert als im Vorfeld erwartet.

Die Crew besteht zur Hälfte aus Deutschen und in der Südsee Ansässigen, Kapitän und Chief (für Uneingeweihte, das ist der Herr über die Maschine) durchkreuzen seit mehr als 40 Jahren die Meere. Wir werden warmherzig und aufgeschlossen empfangen, das Durchschnittsalter der sonstigen Passagiere liegt deutlich über unserem. Acht hungrige und teilweise entkräftete Teilzeit-Seebären sind auch hier etwas Besonderes.

Eine ausgiebige Führung durch unser zeitweiliges Heim macht uns das Ausmaß dieses Kolosses noch einmal bewusst. Der Gang in den mehrstöckigen Maschinenraum kann nur mit Gehörschutz angetreten werden, knapp 56.000 PS bringen auch den Lärmpegel auf beeindruckende Werte. Der Chief präsentiert uns ein dem Schiff Leben einhauchendes Aggregat von einer Wucht, die vor allem Fronzel angesichts von mannshohen Kolben erheblich beeindruckt. Seemannsromantik a la Hans Albers hat hier keinen Platz. Das Bewegen armdicker Schrauben bei permanenten Temperaturen um die 50 Grad Celsius lässt die See umher schnell zum anstrengenden Arbeitsplatz werden.

In den kommenden 14 Tagen werden wir rund 13.000 Kilometer quer über den Pazifischen Ozean hinter uns bringen. Ein bei Japan genau auf unserer Strecke liegender Orkan wendet sich glücklicherweise rechtzeitig nordwärts, die weiteren Wetterprognosen lassen auf magenfreundlichen Seegang hoffen. Der heilige Christopherus scheint weiterhin seine schützende Hand über die Kulturgruppe zu halten.

Seesprache, schwere Sprache könnte jemand sagen. Unsere Zimmer sind hier Kammern, die Tür wird zur Schot und zur Verabschiedung wird einem ein fröhliches „Angenehme Weiterreise noch“ entgegengeschleudert. Auf der Brücke braucht der Wachoffizier kein großes Rad mehr zu drehen, wir haben Autopilot. Und der Sextant darf zwar noch in der Schublade mitfahren, hat den Kampf gegen Satellitenortung und Computerunterstützung aber schon lange verloren.

Auf dem Arbeitsmarkt für Seeleute fehlt übrigens in erheblichem Umfang Nachwuchs. Zwar greifen deutsche Reeder aus Kostengründen für die Mannschaftsdienstgrade überwiegend auf Männer aus Tuvalu, den Philippinen oder anderen Billiglohnländern zurück, deutsche Ingenieure und Offiziere sind aber gesucht. Viele erfahrene Seebären sind um die 60 Jahre alt und gehen bald für immer von Bord. Wer Interesse hat, bitte nicht an mich wenden. Ich lerne noch.

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