Kiss und Konsum vom 01./02.08.2004

An die Regelmäßigkeit des Bordlebens gewöhnen sich auch acht Teilzeitseebären schnell. Nach all der Hektik der vergangenen Wochen genießen wir das in vollen Zügen. Schlafen wann immer man will, Lesen, Essen und zwischendurch im Sportraum dafür sorgen, dass der Bewegungslevel nicht ganz auf null sinkt. Auf der Back, der Fläche im Bug des Schiffes, lässt es sich außerdem herrlich sonnenbaden, auf’s Wasser gucken und schwatzen. Welch ein Leben.

Abends kommen Mitbringsel aus Vietnam zum Einsatz. Ja, ich gebe zu, auch wir haben ein paar DVD’s erworben, deren Herkunft den Mächtigen der Filmindustrie gar nicht gefallen dürfte. Hoffentlich verhaften die uns in LA nicht. Neben Klassikern haben wir auch zu blanker Unterhaltungsgrütze gegriffen, so was guckt ja sonst keiner. Als Strafe für diese Missetaten ist dann auch ein Teil der Silberscheiben nicht abspielbar oder es sind noch schlimmere Werke drauf, als dem Cover gemäß zu erwarten war. Ein Film hat putzige chinesische Untertitel, die sich nicht wegdrücken lassen.

Am dritten Tag unserer Schiffsreise erreichen wir Japan. Der Kapitän hat im Vorfeld netterweise daran gedacht, dass wir uns vielleicht die Füße vertreten wollen, und uns auf die Mannschaftsliste geschrieben. Somit haben wir eine gute Chance, Visa zu bekommen und in Osaka von Bord gehen zu können. Moderne Containerschiffe werden heutzutage logistisch und technisch ausgeklügelt ent- und dann wieder beladen, so dass wir letztendlich drei Stunden für die Stadt haben.

Der zuständige Agent holt uns ab und bringt uns zum Einreiseamt, extra für uns wird ein Schalter geöffnet. Innerhalb kurzer Zeit bin ich zum ersten Mal in meinem Leben Inhaber eines Japan-Visa. Wir werden an der nächsten Metro-Station abgesetzt, hier wird uns der Agent auch wieder abholen. Als erstes fällt mir sofort die omnipräsente Werbung auf. In den U-Bahn-Wagen ist auch das kleinste Fleckchen mit bunten Fähnchen, Plakaten oder Zettelchen gefüllt, die darauf zu sehenden Models stammen optisch komischerweise überwiegend aus dem europäischen Kulturkreis.

Aus alter Gewohnheit wollen wir uns wieder einen zentralen Treffpunkt schaffen und entscheiden uns aus von mir nicht mehr nachzuvollziehenden Gründen für das örtliche Hardrock-Cafe. Neben dem Eingang hängt die komplette Montur von Kiss-Bassist Gene Simmons, drin gibt es Bier zu happigen Preisen. Teuer scheint hier sowieso alles zu sein, trotzdem machen sich Hoffi und ich auf zum Einkaufsbummel. Ich brauche ein Kabel, er eine Kamera, wir wursteln uns aus den Hochhäusern des Geschäftsviertels heraus und landen in der Einkaufsmeile.

Die Meile ist in diesem Falle bestimmt acht Kilometer lang, wir brechen die Wanderung nach etwa fünf ab. Kamera und Kabel haben wir nicht bekommen, dafür einen schönen Eindruck von der viel besprochenen Konsumlust der Japaner. Alles wirkt in meinen Augen ein wenig zu bunt, zu schrill und zu überzogen. Die jungen Frauen haben überwiegend rot- oder braun gefärbte Harre, naturschwarz sei derzeit aus der Mode, wird uns später erklärt.

Spielhallen und Karaoke-Bars sind gut gefüllt und sorgen für einen ständig hohen Lärmpegel, die Bankautomaten geben unseren Kreditkarten kein Geld. Alles ist ein wenig anders hier, zurück bei den Kameraden lernen wir einen deutschen Berater für japanisches Geschäftsgebaren kennen. Bestimmt kein einfacher Job. Um 19 Uhr schifft sich die Kulturgruppe pünktlich wieder ein.

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