An die Regelmäßigkeit des Bordlebens
gewöhnen sich auch acht Teilzeitseebären schnell. Nach all der
Hektik der vergangenen Wochen genießen wir das in vollen Zügen.
Schlafen wann immer man will, Lesen, Essen und zwischendurch im Sportraum
dafür sorgen, dass der Bewegungslevel nicht ganz auf null sinkt.
Auf der Back, der Fläche im Bug des Schiffes, lässt es sich
außerdem herrlich sonnenbaden, auf’s Wasser gucken und schwatzen.
Welch ein Leben.
Abends kommen Mitbringsel aus Vietnam zum Einsatz. Ja, ich gebe zu, auch
wir haben ein paar DVD’s erworben, deren Herkunft den Mächtigen
der Filmindustrie gar nicht gefallen dürfte. Hoffentlich verhaften
die uns in LA nicht. Neben Klassikern haben wir auch zu blanker Unterhaltungsgrütze
gegriffen, so was guckt ja sonst keiner. Als Strafe für diese Missetaten
ist dann auch ein Teil der Silberscheiben nicht abspielbar oder es sind
noch schlimmere Werke drauf, als dem Cover gemäß zu erwarten
war. Ein Film hat putzige chinesische Untertitel, die sich nicht wegdrücken
lassen.
Am dritten Tag unserer Schiffsreise erreichen wir Japan. Der Kapitän
hat im Vorfeld netterweise daran gedacht, dass wir uns vielleicht die
Füße vertreten wollen, und uns auf die Mannschaftsliste geschrieben.
Somit haben wir eine gute Chance, Visa zu bekommen und in Osaka von Bord
gehen zu können. Moderne Containerschiffe werden heutzutage logistisch
und technisch ausgeklügelt ent- und dann wieder beladen, so dass
wir letztendlich drei Stunden für die Stadt haben.
Der zuständige Agent holt uns ab und bringt uns zum Einreiseamt,
extra für uns wird ein Schalter geöffnet. Innerhalb kurzer Zeit
bin ich zum ersten Mal in meinem Leben Inhaber eines Japan-Visa. Wir werden
an der nächsten Metro-Station abgesetzt, hier wird uns der Agent
auch wieder abholen. Als erstes fällt mir sofort die omnipräsente
Werbung auf. In den U-Bahn-Wagen ist auch das kleinste Fleckchen mit bunten
Fähnchen, Plakaten oder Zettelchen gefüllt, die darauf zu sehenden
Models stammen optisch komischerweise überwiegend aus dem europäischen
Kulturkreis.
Aus alter Gewohnheit wollen wir uns wieder einen zentralen Treffpunkt
schaffen und entscheiden uns aus von mir nicht mehr nachzuvollziehenden
Gründen für das örtliche Hardrock-Cafe. Neben dem Eingang
hängt die komplette Montur von Kiss-Bassist Gene Simmons, drin gibt
es Bier zu happigen Preisen. Teuer scheint hier sowieso alles zu sein,
trotzdem machen sich Hoffi und ich auf zum Einkaufsbummel. Ich brauche
ein Kabel, er eine Kamera, wir wursteln uns aus den Hochhäusern des
Geschäftsviertels heraus und landen in der Einkaufsmeile.
Die Meile ist in diesem Falle bestimmt acht Kilometer lang, wir brechen
die Wanderung nach etwa fünf ab. Kamera und Kabel haben wir nicht
bekommen, dafür einen schönen Eindruck von der viel besprochenen
Konsumlust der Japaner. Alles wirkt in meinen Augen ein wenig zu bunt,
zu schrill und zu überzogen. Die jungen Frauen haben überwiegend
rot- oder braun gefärbte Harre, naturschwarz sei derzeit aus der
Mode, wird uns später erklärt.
Spielhallen und Karaoke-Bars sind gut gefüllt und sorgen für
einen ständig hohen Lärmpegel, die Bankautomaten geben unseren
Kreditkarten kein Geld. Alles ist ein wenig anders hier, zurück bei
den Kameraden lernen wir einen deutschen Berater für japanisches
Geschäftsgebaren kennen. Bestimmt kein einfacher Job. Um 19 Uhr schifft
sich die Kulturgruppe pünktlich wieder ein.
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zum Tagesbericht vom 02.08.2004
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