Wolkenkratzer und Wachs vom 03.08.2004

Nach dem kurzen Osaka gestern erwartet uns heute ein langes Tokio. Immerhin fünf Stunden stehen uns für den Besuch zur Verfügung. Ein Schiffsagent bringt uns um 19 Uhr trotz unserer Visa noch einmal zum Einreiseamt, Ordnung muss auch hier sein. Vor der Nutzung der Metro müssen wir erfolgreich noch eine Auseinandersetzung mit dem sich wehrenden Fahrkartenautomaten bestehen und stehen wenig später in den berühmten Häuserschluchten.

Die tauchten ja kürzlich erst oscardekoriert in „Lost in Translation“ auf und sind wirklich beeindruckend. Uns hat es offensichtlich in die teuerste Einkaufsmeile der Stadt verschlagen. Am Straßenrand warten riesige Limousinen inklusive Chauffeur auf wen auch immer, in den Schaufenstern liegen Designer-Produkte zu unverschämten Preisen aus. Dazwischen wirken wir etwas abgerissen, die nach neuster Mode gekleideten Passanten mustern uns entsprechend.

Es ist dunkel und die Leuchtreklamen erzeugen ein sehr eigenartiges Licht. Mitten im Zentrum gibt es um den Kaiserpalast herum eine große Parkanlage, in der innerhalb von Sekunden Lärm und Menschenmassen vergessen sind. Die über den Gehweg huschenden Kakalaken halten von der Größe her locker mit ihren indischen Kollegen mit. Auf den Parkbänken schlafen gut gekleidete Männer, die Mieten hier sollen ja horrend sein.

Nach zwei Stunden des Herumschlenderns regen sich die Bedürfnisse nach Speis und Trank. Die Restaurants werben in Schaufenstern mit Wachskopien ihrer Speisen für sich, uns würde für’s erste auch ein Getränk genügen. Ins Hofbräuhaus Tokio wollen wir nicht, hätten nebenan aber auch Köstritzer Schwarzbier trinken können. In einer Art Kneipenstraße in den Viadukten der Metro entscheiden wir uns für Sake, genossen auf Sitzkissen und mit unbeschuhten Füssen. An den Nebentischen sprechen Geschäftsleute intensiv alkoholischen Getränken zu und diskutieren lautstark. Mist, das japanische Wort für „Prost“ habe ich schon wieder vergessen.

Mit der vorletzten U-Bahn geht es wieder schiffswärts. Von der Station bis zum Containerhafen muss ein Stückchen Weg zurückgelegt werden, eine Abkürzung bietet sich an. Zäune und Stacheldraht können die Kulturgruppe nicht stoppen, im richtigen Augenblick findet sich eine Leiter. Es ist bemerkenswert, mit welcher Freiheit wir uns zwischen Containern und Stückgut bewegen können. In Hongkong hätten uns die Sicherheitskräfte umgehend gestellt und eingebuchtet. In Tokio scheint es keine zu geben.

Pünktlich um 1 Uhr schleppen wir uns die Gangway hinauf. Für die kommenden zehn Tage werden wir nur noch Wasser sehen.

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