Ich werde es den geneigten Lesern an dieser
Stelle ersparen, jeden Tag auf der Pugwash zu beschreiben. Wie schon dargelegt,
gruppieren sich um die Essenszeiten herum Aktivitäten, deren Spannbreite
aufgrund der räumlichen Situation zwangsläufig nicht allzu groß
ausfallen kann. Langweilen tut sich keiner der Kameraden, über die
Tätigkeit des Lesens lassen sich aber nun mal schlecht Berichte schreiben.
Am 6. lädt der Kapitän zum Barbecue auf das Sonnendeck unterhalb
der Brücke. Ein riesiger Grill schmurgelt friedlich vor sich hin,
Hühnchen und Steaks schmecken Crew und Passagieren prima. Die Kulturgruppe
nutzt die Möglichkeit, Fragen zu Schiff und Technik und dem Berufsalltag
der Seeleute los zu werden.
Seit den Zeiten der Segelschiff hat sich zwar einiges geändert, die
Arbeit ist körperlich leichter und sicherer geworden. Nur eines ist
zwangsläufig geblieben – die lange Abwesenheit von zu Hause.
Reisezeiten von etwa 6 Monaten sind Standard, wer Heuereinbußen
hinnimmt, kann 3 Monate fahren und anschließend 3 Monate an Land
sein. Der Aufbau einer Familie und anderer persönlicher Beziehungen
ist dadurch naturgemäß schwierig. Seemannsbraut ist eben die
See. Viele Offiziere streben daher an, nach einigen Jahren als Lotse oder
in Ämtern unterzukommen. Das ist meistens sogar noch finanziell attraktiver
als die Seefahrt.
Bei einigermaßen schönem Wetter ist Treffpunkt der Kulturgruppe
auf der Back. Verträumt schauen die Weltreisenden in das schäumende
Wasser und entdecken dabei allerlei Getier. Fliegende Fische und Delfine
begleiten uns, leider sind wir für längere Rendezvous mit ihnen
zu schnell. Bei permanenten 45 km/h macht auch der schnellste Delfin bald
schlapp. Zwei einzelne Kameraden entdecken einen Hammerhai im Fahrwasser
und berichten stolz davon. Kapitän und Chief sollten sich inzwischen
von ihrem Lachanfall erholt haben. Ich glaube meinen Freunden.
Am 7. August überqueren wir die Datumsgrenze. Waren wir bis dahin
den Daheimgebliebenen zeitlich ständig voraus, hängen wir nun
plötzlich 12 Stunden hinterher. Den 7. erleben wir so zwei Mal, verrückt.
Mit Unterstützung des 3. Offiziers Thomas gelingt es dann auch, den
Grund für diese Zeitspielerei logisch zu durchdringen. Daran, dass
wir die Uhr nahezu täglich eine Stunde vorstellen müssen, ändert
sich nichts.
Während des zweiten Teils unserer Pazifik-Reise gewinnt unser geliebtes
Doppelkopf-Spiel wieder an Stellenwert. Allabendlich versammeln sich die
Kartenhaie im Offiziers-Aufenthaltsraum und frönen lautstark Alter
und Dulle. Kulturgruppentypisch müssen die Verlierer etwas tun, etwa
Getränkenachschub besorgen u.ä. Regelmeister Zwerg läuft
mit immer verdrehteren Ideen der „Bestrafung“ zu bekannter
Hochform auf.
Und dann sind plötzlich die Lichter von LA vor uns zu sehen. Rechts
am Horizont ist der Berg mit dem „Hollywood“-Schriftzug zu
erkennen, links grüßen Wolkenkratzer. Ich hätte jetzt
Steuerbord und Backbord schreiben müssen, ich weiß, offensichtlich
ist seemännische Verhaltens- und Ausdrucksweise auch nach zwei Wochen
noch nicht ganz so tief in mein Hirn eingedrungen.
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zum Tagesbericht vom 13.08.2004
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