Bakschisch und Adnan vom 24.06.2004

Nach dem Aufstehen und einer nicht zitierfähigen Diskussion über die Nutzungstechniken asiatischer Aborte nähert sich das Gefährt der syrischen Grenze. Links und rechts des Wegs tauchen jämmerliche Planen-Siedlungen auf, die offensichtlich von den in der quälenden Hitze schuftenden Feldarbeitern bewohnt werden. Und dann ist es soweit: Wir betreten erstmals uns gänzlich unbekannten Boden.

Gegenüber Uniformen scheinen die Syrier eine ausgeprägte Abneigung zu haben. Zumindest die Grenzer sind nur anhand der am Gürtel baumelnden Handschellen zu identifizieren. Wir Unerfahrenen sind daher umgehend in der Hand der überall lauernden Bakschisch-Jäger, die Hilfe beim Grenzübertritt anbieten und dafür natürlich ein Sümmchen abstauben wollen. „Maschine“ findet schnell eine Bekämpfungsmethode, einfach das Gaspedal durchtreten und sich den nach den Pässen grapschenden Händen entziehen.

Vor der syrischen Kontrolle sind wir dann allerdings froh, dass uns ein wie ein Lehrer aussehender Bakschich-Helfer durch die Wirren der einheimischen Bürokratie geleitet. Ohne seine Hilfe hätten wir wahrscheinlich einen halben Tag vor dem Grenzschild verbracht, so sind wir schon nach zwei Stunden und der Zahlung von 250 Dollar „Durchgebrochen“, um mal den Höfel zu zitieren.

Auf der anderen Seite erwartet uns umgehend ein Arabien wie aus dem Bilderbuch. Verkehrsteilnehmer von motorisiert bis beritten folgen unverständlichen Regeln, die Bedeutung aller schriftlichen Mitteilungen ist von uns nicht mehr zu ermitteln, die Sonne brennt auf weite Ebenen und kleine Dörfer. In Aleppo, der zweitgrößten Stadt des Landes, schafft „Maschine“ wieder einmal das für unmöglich Gehaltene und bringt uns unversehrt durch hupende Fahrzeugknäuel sowie lebensmüde Fußgänger.

Die auf römischen Fundamenten ruhende Zitadelle der Stadt zieht uns schnell in ihren Bann, unser Guide formuliert vor laufender Kamera eine Aufforderung an alle Deutschen, möglichst zahlreich sein Heimatland zu besuchen. Tatsächlich ist der Tourismus in Syrien im Vergleich zu Israel oder Ägypten relativ wenig entwickelt, was der Kulturgruppe angesichts freundlicher und hilfsbereiter Einheimischer sowie reicher Kultur und Geschichte wenig verständlich ist.

Vor der Zitadelle warten die typischen Touristenfallen in Form von Cafes auf uns, wir entscheiden uns für das mit dem am wenigsten nervenden Schlepper. Der heißt Adnan, ist des Deutschen mächtig und bewahrt uns in den kommenden Stunden vor überhöhten Preisen, zu aufdringlichen Händlern und ungewollten Tabubrüchen. Adnan ist Kurde und hat neun Jahre in Deutschland gelebt. Bei einem Besuch in Syrien wurde er verhaftet und zu zweieinhalb Jahren Armeedienst verdonnert, den er in drei Wochen hinter sich hat. Er hat sich wirklich rührend um uns gekümmert und sich dabei permanent bei der Gruppe versichert, ob auch niemand ihn für einen Betrüger hält. Adnan, der wieder zurück nach Deutschland kommen will, wurde einstimmig zur Wiedersehensparty am 11.9. in Jena eingeladen.

Im altstädtischen Basar beschließen die Freunde, den Aufenthalt in unbekannten Kulturen auch äußerlich zu dokumentieren. Palästinenser-Tücher sowie traditionelle Kaftans verändern das Erscheinungsbild nachhaltig, was bei den interessiert zuschauenden Arabern für einige Heiterkeit sorgt. Arabische Gepflogenheiten und kulturelle Unterschiede stehen im Mittelpunkt des Tischgesprächs in einem schönen Restaurant in der Altstadt. Warum sind welche Frauen wie verschleiert, wie ist das mit dem Sex und warum laufen arabische Männer Hand in Hand durch die Straßen, sind nur einige der diskutierten Fragen. Dazu gibt es Bier, das nur im kleinen katholischen Teil von Aleppo zu bekommen ist.

In einem kleinen, mit Teppichen gefluteten Hotel beziehen wir anschließend prima Zimmer, werden Zeugen der Niederlage Englands und gehen schlafen. Und das mal richtig lange.

zurück zum Tagesbericht vom 24.06.2004

Übersicht aller Artikel im Reisetagebuch