Jena und Rodeo vom 21.08.2004

Um 12 Uhr sitzt die Kulturgruppe, noch ein wenig gezeichnet vom Erlebnis Bourbon- Street, geschlossen beim Frühstück. Für US-Verhältnisse recht guter Kaffee und Bratkartoffeln bringen die Körper wieder auf Trab. Wir haben uns entschieden, heute vom geraden Weg gen Philadelphia abzuweichen und Jena/Louisiana einen Besuch abzustatten.

Dazu geht es von New Orleans aus auf dem Highway 10 ein Stück zurück und dann scharf in Richtung Norden. Jetzt sind wir wirklich in der Gegend von Baumwolle und Zuckerrohr angekommen, weiß gestrichene Häuser mit großen Veranden und Schaukelstühlen darauf stehen malerisch zwischen endlosen Feldern. Auffallend ist, dass die riesigen Rasenflächen entlang des Highways dem englischen Standard sehr nahe kommen. Alles ist frisch gemäht und bewässert, wer das wie bewerkstelligt, hat sich mir nicht offenbart.

Jena liegt etwas abseits und verfügt über ein verrostetes Begrüßungsschild. Außerdem gibt es eine Bank of Jena und diverse andere Läden mit der Heimatstadt meiner thüringischen Freunde im Namen. Spektakuläres gibt es nicht zu sehen, das Rathaus ist aber ganz schön groß. Zwar brennt das Licht, am Samstag ist aber erwartungsgemäß niemand da.

Die Suche nach dem Bürgermeister führt Horst zur örtlichen Tankstelle, in der sich ein Herumsitzender als guter Freund des Würdenträgers outet. Er telefoniert kurz und fünf Minuten später entsteigt einem vorfahrenden Fahrzeug ein Südstaatler wie aus dem Bilderbuch. Mit zwei Zahnstochern im Mund und einem gewöhnungsbedürftigen Dialekt ist der oberste Wahlbeamte Jenas so gut wie nicht zu verstehen, unseren Fragen gegenüber aber sehr aufgeschlossen.

Von Beruf Dachdecker lenkt James Robbins die Geschicke der 3000-Seelen- Gemeinde seit 18 Monaten. Alle vier Jahre ist Neuwahl. Haupteinnahmequelle des Ortes ist die Papierindustrie, einen finanziell attraktiven Knast habe der Staat aufgrund schwerer Sicherheitsmängel geschlossen, so der 37-Jährige. Die ständigen Gefängnisausbrüche seien aber auch wirklich unangenehm gewesen.

Nach einer Stunde und einem gemeinsamen Foto ist dann Schluss mit der Fragerunde, Robbins will offensichtlich den Samstag Abend auf seiner Couch verbringen. Für die Abendgestaltung hat Jena/Louisiana gar nichts zu bieten, wir fahren in das 24 Meilen entfernte Jonesville. Hier ist heute Rodeo, für fünf Dollar pro Mann sind wir passiv dabei. Während der Rest der Kulturgruppe die Arena, vom Hunger getrieben, vor Ende der Veranstaltung verlässt, wird Flemme noch Zeuge von zwei schweren Unfällen beim Bullenreiten. Alle noch Anwesenden stehen von den Holzbänken auf und nehmen den Cowboyhut ab, als die erheblich Verletzten zum Krankenwagen getragen werden.

In einem kleinen Motel läuft zur Freude von Sportfreak Horst Olympia im altersschwachen Fernseher. Das Abschneiden der deutschen Mannschaft ist wirklich deprimierend. Nach Mitternacht teilen wir uns brüderlich die Kingsize-Betten.

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