Kreuzritter und Investoren vom 25.06.2004

Beim Aufwachen ist es schockierend still in Aleppo. Ulla und mir gelingt es um 8 Uhr nur mit Mühe, ein offenes Cafe zu finden. Die Kameraden stoßen eine Stunde später zu uns und bringen auch gleich eine Erklärung für die leeren Straßen mit: Es ist Freitag und die Aleppen genießen einen freien Tag. Wir haben hingegen zu tun, nach dem Schmauchen einer Wasserpfeife und der Verabschiedung von Adnan machen wir uns auf zum Krak des Chevalliers.

Die etwa 200 Kilometer südlich von Aleppo, direkt an der Grenze zu Libanon liegende Festung ist die größte Kreuzritterburg im Orient. Von 1110 bis 1272 beherbergte sie bis zu 4000 Kreuzzügler und war für die Einheimischen ein weit sichtbares Symbol ihrer Demütigung. Bis 1934 lebten hier Menschen und nutzten Teile der Wehranlagen zum Häuserbau. Seitdem wird das beeindruckende Bauwerk nach und nach restauriert und nur noch als Museum genutzt. Unser Gefährt bewältigt die steile Straße zum und vom Krak mit gewohnter Souveränität.

Und dann stehen wir in der Wüste. Soweit das Auge reicht nur Sand und ein wenig Gestrüpp, die Sonne brennt gnadenlos auf die ausgedörrte Landschaft herab. Ab und zu stehen Häuschen mit ausgebleichten Mauern am Rande der sich schnurgerade zum Horizont dahinziehenden Straße. Sie führt uns nach Osten, Palmyra heißt das Ziel. Die berühmte Oase war ein Knotenpunkt der Seidenstrasse, verfügt über diverse historisch wertvolle Ruinen sowie zahlreiche Mercedes- Fahrzeuge, die nicht nur alt sondern auch phantasievoll aufgebrezelt sind. Maschine ist begeistert.

Nach einer kurzen Tour durch die Stadt, bei der wir unter den wohlwollenden Blicken der hiesigen Polizei Einbahnstraßen vorzugsweise verkehrt herum befahren, mieten wir uns im Palace Hotel ein. Der Besitzer ist ganz aus dem Häuschen über den offensichtlich ungewohnten Andrang in seinem schnieken Hause und schaltet als Willkommensgruß den Fernseher sofort auf das deutschsprachige Programm der Deutschen Welle um. In der syrischen Wüste zu sitzen, süßen starken Tee zu trinken und dabei eine Diskussion über genmanipulierte Nutzpflanzen zu verfolgen, das ist W80-Wahnsinn pur.

Zu unserer Freude hat auch Palmyra ein Restaurant zu bieten, in dem Alkohol ausgeschenkt Bier. In den Geburtstag von Zwerg Bier hineinzufeiern, ohne dabei am kühlen Bier nippen zu können, wäre uns sehr hart angekommen. Zu essen gibt es die uns schon bekannte Vorspeisen-Fülle und Grillplatte, als Nachtisch den auch im Reiseführer zu diesem Zweck anempfohlenen Arak. Der sorgt mit seinen 51 Prozent für angeregte Tischgespräche, plötzlich springen die am Nebentisch sitzenden Fußball-Gucker auf.

Der Ankömmling ist europäisch gekleidet, Mitte 40 und führt das große Wort. Später bittet er uns an seinen Tisch und stellt sich als in Damaskus lebender Großinvestor heraus. Zusammen mit seinen drei Brüdern ist er durch den Bau von Hotels in Dubai vermögend geworden und setzt jetzt in Palmyra eine Bettenburg in den Sand. Zwar seien derzeit noch zu wenig Touristen, so unser Gastgeber. Aber wenn es in drei, vier Jahren so richtig losgehe mit dem hiesigen Reisegewerbe, dann sei er ganz groß da. Seine politischen Äußerungen öffnen uns ein wenig die Augen für die arabische Sicht auf die Weltlage und historischen Zusammenhänge. Für einen Deutschen eine eher schwierig nachzuvollziehende Denkhaltung. Um vier sind wir im Bett.

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