Früh um 6.30 Uhr ist für uns
die Hakkari-Nacht vorbei, nach einigen auf haarsträubenden Pisten
zurückgelegten Kilometern steht die türkisch-iranische Grenze
im Weg. Die Kulturgruppe ist fest entschlossen, den Übertritt ohne
Carnet zu wagen, das für Iran eigentlich zwingend vorgeschrieben
ist. Jedoch hätte es uns in Deutschland die Hinterlegung von 5.000
€ abverlangt, wobei es sehr fraglich gewesen wäre, ob wir das
Geld jemals wieder gesehen hätten. Zudem soll das Gefährt in
Bam dem „Roten Halbmond“ übereignet werden und künftig
in dieser von einem Erdbeben schwer gezeichneten Stadt Dienst tun. Da
werden wir mit unserem großen Geschenk doch wohl ungehindert einreisen
dürfen.
Weit gefehlt. Nach der problemlos absolvierten Passkontrolle erkennt der
Zoll umgehend unseren Mangel. Wir stellen die Uhren eineinhalb Stunden
vor auf iranische Zeit ein und das Warten beginnt. Der freundliche Zolloffizier,
der in Kürze zu einer Reise nach Deutschland aufbrechen will und
eine eingehende Reiseberatung der Kulturgruppe erhält, hat großes
Verständnis für unser Problem. Höfel stellt telefonisch
den Kontakt zum Roten Halbmond her, alle Beteiligten reden mehrfach miteinander
und wir scheinen bald weiterfahren zu können. Ein Fax aus Teheran
soll uns die carnetlose Einreise ermöglichen. Im Warten darauf vergeht
der Tag, die acht Deutschen sind inzwischen im gesamten Grenzübergang
bekannt wie die bunten Hunde. Wir werden permanent interessiert angesprochen,
zum Essen eingeladen, im Tischtennis herausgefordert – nur das Fax
kommt nicht.
Gegen 17 Uhr Ortszeit steht dann fest, das wird heute nix mehr. Morgen
früh um 10 Uhr ginge dann aber alles in Ordnung, so unser deutschlandinteressierter
Offiziersfreund. Als Schlafplatz wird uns eine windschiefe Baubaracke
anempfohlen, die zwei getrennte Gebetsräume für männliche
und weibliche Moslems beherbergt. Wir entscheiden uns für die männliche
Seite, die wie ihr Pendant mit dünnen Teppichen und einem offenen
Fernster ausgestattet ist, durch das der Geruch brennenden Mülls
Einzug hält.
Bereits beim Abendbrot stehen betwillige Menschen in unserer Unterkunft
und schauen verwirrt auf acht kauende Ungläubige, entschließen
sich aber flexibel zur Nutzung der weiblichen Seite. Ganz hart kommt es
bei der Ankunft eines Reisebusses, der Gläubige beiderlei Geschlechts
mit sich führt. Angesichts des Andrangs räumen wir hastig unser
Domizil, richten es nach Abzug der Muselmanen dann aber zügig für
die Nacht her. Im Verlauf der Nacht stehen die Insassen zwei weiterer
Busse angesichts der schlafenden Kulturgruppe vor ernstlichen Problemen.
Sie nehmen es mit Humor, vor allem die Frauen wollen sich vor Lachen gar
nicht mehr einkriegen.
Nach einer trotz „Störung“ gut verbrachten Nacht, wird
das Projekt „carnetloser Grenzübertritt“ ausgeschlafen
wieder in Angriff genommen. Zwei Mitarbeiter des „Roten Halbmondes“
erscheinen auf der Bühne und geben neue Hoffnung. Die Versicherung
unseres Gefährts ist inzwischen geklärt und stapelweise Dokumente
werden erstellt, kopiert, gestempelt, aneinandergeheftet sowie von einem
Beamten zum anderen geschafft.
Nach vier Stunden steht dann ein letztes Problem im Raum. Der Zoll besteht
darauf, dass wir nur in Begleitung eines Beamten die 2000 Kilometer lange
Strecke bis nach Bam zurücklegen dürfen. Durch Augenscheinsbeweis
(mehrfaches kollektives Aufsitzen bei 35°C) stellen wir klar, dass
im Gefährt außer uns tatsächlich kein weiterer Reisender
Platz hat.
Nach langen Diskussionen und diversen Telefonaten mit der nationalen Zollbehörde
in Teheran dann endlich die Lösung: Wir werden uns mit dem auf Buchgröße
angewachsenen Dokumentenstapel in der für Bam zuständigen Bezirksstadt
melden, den Weg dorthin dürfen wir ohne Aufpasser absolvieren. Gegen
14 Uhr fährt das Gefährt nach 28 Stunden Standzeit wieder an,
da fehlt am allerletzten Tor zur Freiheit tatsächlich noch ein Stempel.
Eine weitere halbe Stunde geht ins Land und schon sind wir den Fängen
der iranischen Bürokratie entronnen.
Unter Führung der Kollegen vom „Roten Halbmond“ streben
acht geschaffte, aber optimistisch nach vorn blickende Weltreisende Orumiyeh
zu, der größten Stadt der Gegend. Hier geben unsere Halbmond-Helfer
im besten Haus am Platz als Entschädigung für die erlittenen
Strapazen ein persisches Mahl aus. Gut genährt machen wir uns auf
den Weg nach Bam. Um den einen Tag Zeitverlust wieder aufzuholen, wird
die Nacht durchgefahren.
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