Wüste und Jumping Road vom 02.07.2004

Acht Stunden nächtliche Busfahrt gehen schnell vorbei, selbst wenn die Klimaanlage überkühlt und ein sogenannter Lollywood-Film die Nerven strapaziert. Diese, in Anlehnung an das „Bollywood"-Kino Indiens so benannten, Streifen aus pakistanischer Produktion vermischen fröhlich „Romeo und Julia", Actionfilme und „Saturday Night Fever" auf für mich schwer erträgliche Art miteinander. Dem pakistanischen Publikum ist es eigener Aussage gemäß sehr wichtig, dass in 90 Minuten möglichst viel Blut fließt. Die Spannung auf dieses Land wächst.

In Zahedin stehen wir morgens um 5.30 Uhr auf dem Busbahnhof, schnell haben wir einen „Pickup"-Besitzer bei der Hand, der unseren Transport zur Grenze bewerkstelligen will. Sein Fahrzeug erweist sich dann erwartungsgemäß für acht Leute als ein wenig zu klein, erst nach hartnäckigem Beharren unsererseits kann ein zweites Auto beschafft werden. Um 08.00 Uhr stehen wir vor der pakistanischen Grenze. Die macht in eineinhalb Stunden auf.

Die Wartezeit überbrücken wir in geselliger Runde, zu der zwei Afghanen, eigenem Bekunden nach ehemalige Kämpfer gegen die Taliban und jetzt im Handel mit Schuhen und Bekleidung aktiv, ein Australier sowie acht Schweden gehören. Diese bringen zwei in ihrem Heimatland ausgemusterte Krankenwagen nach Nepal und haben das ganze offenkundig sehr öffentlichkeitsstark angelegt. Ein mitreisender Journalist setzt täglich Meldungen über eine mitgeführte Satellitenanlage ab, Treffen mit ranghohen Politikern in den jeweiligen Transitländern sind arrangiert. Da können wir für die Zukunft noch was lernen.

Für mich war ein längeres Gespräch mit der zum Team gehörenden Ärztin am interessantesten. Den Landessitten entsprechend musste sie im Iran und wird sie in Pakistan Kopftuch und Gewand tragen, sich in der Öffentlichkeit mit Äußerungen zurückhalten und hinter ihren männlichen Begleitern laufen. Zusammenfassend formulierte die sehr selbstbewusste Damen zwei Erfahrungen aus dieser Situation. Erstens sei es sehr heiß unter der Kleidung und zweitens hätten die Männer der Gruppe überraschend schnell machohafte Züge sowie übertriebene Fürsorge gezeigt.

Die Grenze passieren wir problemlos, auf der anderen Seite muss wieder einmal eine Entscheidung über das zu nutzende Transportmittel fallen. Die 600 Kilometer durch die Wüste führende Strecke bis Quetta können wir mit dem Bus und damit Klimaanlage hinter uns bringen, was etwa 26 Stunden dauert. Oder wir mieten uns einen „eigenen" Kleinbus, der sofort startet und das Ganze laut Aussage des Fahrers in etwa acht Stunden schafft. Keine Frage, wir nehmen das Individualfahrzeug und treten damit in den bisher härtesten Teil unserer Tour ein.

Es herrschen etwa 45°C Außentemperatur, selbst der Fahrtwind hat noch Föntemperatur und wir bewegen uns nahe der afghanischen Grenze, bis Kandahar ist es nicht weit. Die Sitze sind durchgesessen, vor allem aber macht die Straße ihrem Spitznamen „Jumping Road" alle Ehre. Kurzen Abschnitten des relativ sorglosen Dahingleitens folgen umgehend Schlagloch-Felder sowie zerbröselte oder erheblich gewellte Straßenbeläge, die Fahrzeug und Insassen tatsächlich springen lassen und dem Fahrer, vor allem bei Gegenverkehr, eine fast schon artistische Beherrschung seines Arbeitsgerätes abverlangen. Wir haben Glück, unser Lenker versteht sein Handwerk.

So vergeht die Zeit schleppend, links und rechts der Straße ziehen einzelne Häuser oder kleine Siedlungen vorbei, die von Wüste und Müll umgeben sind. Wie jemand hier leben, vor allem aber überleben kann, können wir uns nicht erklären. Regelmäßige Polizeikontrollen, bei denen ähnlich wie in Kurdistan unsere Daten zeitraubend immer wieder in Kladden verewigt werden, beruhigen zwar, verlängern aber auch den Aufenthalt in diesem Vorhof zu Hölle. Nur noch mal kurz zwei Pässe erklommen und links und rechts nicht identifizierbare Signale wahrgenommen, und schon sind wir nach zwölf Stunden in Quetta. Mir ist der Luxus einer kalten Dusche noch niemals so bewusst geworden, in einem vom Reiseführer empfohlenen Hotel schläft die Kulturgruppe wie tot. Übrigens: Es gibt keinen anderen zugelassenen Landweg vom Iran nach Pakistan. Ich rate zum Flugzeug.

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