Windturm und Halbmonde vom 01.07.2004

Um 8 Uhr gibt's Frühstück mit Karotten-Marmelade, bei einer kurzen Führung durch die Altstadt erfahren wir von unserem Gastgeber alles über Windtürme. Die vermögenden Bauherren errichteten eine Art Schornstein, in dem sich der Wüstenwind verfing und, auf dem Weg nach unten heruntergekühlt, für erträgliche Temperaturen in den Wohnräumen sorgte.

Heute soll der Tag der Übergabe des Gefährts an den Roten Halbmond sein. Wie das genau vonstatten gehen soll und wie wir anschließend die dann noch vor uns liegenden rund 300 Kilometer bis zur pakistanischen Küste zurücklegen werden, wissen wir zu diesem Zeitpunkt noch nicht. Allerdings ist am nächsten Tag Freitag, also moslemischer Sonntag, so dass wir bis spätestens 15 Uhr in Kerman, der für Bam zuständigen Gebietshauptstadt, sein müssen.

Es ist punkt 15 Uhr als wir auf einer sehr breiten und ewig langen Straße in Kerman einrollen. Es kostet uns 45 Minuten, das bereits menschenleere Zollgebäude zu finden. Ein wenig Panik macht sich in den Reihen der Kulturgruppe breit, nach weiteren 45 Minuten stehen wir nach aktiven Stadtführerdiensten der Polizei vor der schon fast protzig zu nennenden Bezirkszentrale des Roten Halbmondes. Der Pförtner schläft, spricht kein Wort Englisch, öffnet und weist nach Kenntnisnahme des uns an der iranischen Grenze übergebenen Papierstapels Schlafplätze zu.

Die Panik wird größer, spätestens am Samstag müssen wir im 900 Kilometer entfernten Quetta sein. Dieses Ziel rückt in weite Ferne, die Büros im ganzen Land sind erst am Samstag morgen wieder geöffnet. Horst und ich stellen das Problem mit Händen und Füßen dar, der Pförtner und ein inzwischen auf der Bildfläche erschienener zweiter Mitarbeiter diskutieren heftig miteinander, telefonieren intensiv und laden zum Tee ein.

Es ist inzwischen 17 Uhr, der zur Hilfe gerufene Erste-Hilfe-Lehrer des örtlichen Halbmondes erscheint und nimmt sich unseres Problems an. Wir steigen von Handkommunikation auf Brockenenglisch um und diskutieren die möglichen Szenarien. Und das für uns Beste klappt tatsächlich:

Der Rote Halbmond übernimmt das Gefährt vor Ort und kümmert sich selbständig um die Zollformalitäten. Wir erhalten vom Gebietschef eine Bestätigung der Übergabe und sitzen nach Beräumung und Säuberung unseres liebgewordenen Begleiters um 21.30 Uhr Ortszeit im Bus nach Zahedin, 80 Kilometer vor der pakistanischen Grenze. Neben dieser Busfahrt stattet uns der Rote Halbmond noch mit einem reichhaltigen Menü aus und zeigt uns einen Film über die Folgen des Erbebens in Bam.

Es ist für uns alle erschütternd, wie viel Elend und Trauer in dieser ohnehin schon sehr armen Stadt zu Hause ist. Die Folgen des Bebens sind bis heute nicht mal im Ansatz behoben, in unseren europäischen Medien aber bereits spätesten zwei Wochen nach dem Ereignis aus den News verschwunden. So wie viele Elendsplätze der Welt, von denen wir auf unserer Reise so einige gesehen haben und noch sehen werden. Zwar ist die Idee, unser Auto zu spenden, eher aufgrund der bereits erläuterten Carnet-Problematik entstanden. Jetzt im Nachhinein sind wir glücklich, wenigstens ein kleines Quentchen dazu beigetragen zu haben, dass sich die Lebenssituation der Menschen von Bam verbessern kann.

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